Antworten auf Fragen zur Tätigkeit in der SterbebegleitungLiebe Freundin, lieber Freund, danke für dein Interesse an unserer Arbeit. An diesem Übergang des Sterbens teilzunehmen und andere Menschen durch ihn begleiten zu wollen ist der Impuls deines Bewusstseins, deiner reifen Seele. In unserer Arbeit geht es darum, neben der körperlichen Betreuung auch die Seele zu begleiten, und dem Menschen zu helfen, seinen eigenen Weg des Sterbens zu gehen, die Unterstützung durch Worte der Weisheit, Berührung, liebevolle Präsenz, Verständnis der Vorgänge im Bewusstsein, Ehrlichkeit und authentisches Mitgefühl. Und dem Sterbenden die Botschaft zu geben "ich lasse dich nicht allein in den schwierigsten emotionalen Momenten und Übergängen". Sterben ist vor allem für die Ich-Persönlichkeit und die Seele schwierig, es ist nicht der Tod des Körpers, der den meisten Menschen Angst macht. Weiter zum Artikel Je offener dein Herz für die heftige Gnade der Trauer sein kann, die sich jetzt freisetzt, desto mehr wirst du die darunterliegende Weite deines Seins erfahrenF. Nach der Nachricht, dass mein Sohn sich diesen Sommer sein Leben genommen hatte, habe ich natürlich intensiven Schmerz erfahren, habe aber nicht leiden müssen. Es war so, als ob ich in der unendlichen großem Weite des Lebens gehalten war, mit all seinen Freuden und Schmerzen, und habe eine Süße des Lebens erfahren. Vier Monate später jedoch scheint sich mehr Leiden und Angst einzuschleichen. Es scheint weniger Energie verfügbar zu sein, um in dieser Weite zu bleiben, weil die Trauer anscheinend ihren Raum beansprucht. Kannst du etwas darüber sagen, wie man präsent bleibt, wenn der Schmerz so gross ist?
A. Mein Herz geht zu dir für den Verlust deines geliebten Sohnes. So ein tiefer Übergang beansprucht die Fähigkeit des Herzens, das volle Ausmass solch einer Erfahrung zu umarmen. Was für ein Segen, dass du für 4 Monate nach dem Verlust deines Sohnes in solch einer großen Weite gehalten wurdest. Du bist jetzt dafür bereit, den reinigenden Schmerz aus der Tiefe deines Herzens sich freisetzen zu lassen. Um präsent zu bleiben für die heftige Gnade der Trauer, musst du jetzt dein Herz für die Fülle seiner Energie und Kraft öffnen, ohne dich in den Vorstellungen des Verstandes zu verlieren. Dies erfordert eine offenherzige Wachsamkeit und eine Bereitschaft, dem Kummer des Verlustes zu begegnen, während er sich durch deinen Körper bewegt und sich befreit. Jetzt ist nicht die Zeit, von dieser Trauer auf Distanz zu gehen, sondern dein Herz für ihr Kommen und Gehen während des Tages zu öffnen- wie Wetteränderungen, die am Himmel vorbeiziehen. Für Trauer präsent zu bleiben bedeutet, präsent zu bleiben für ihre körperliche Erfahrung, anstatt von den Gedanken und Bildern überwältigt zu werden, die der Verstand produziert, um Aufmerksamkeit von direkter Erfahrung wegzubewegen. Aber die Gedanken sind immer schmerzhafter als die direkte Erfahrung von Trauer, und behindern ihren natürlichen Fluss und Freisetzung. Je offener dein Herz für die heftige Gnade der Trauer sein kann, die sich jetzt freisetzt, desto mehr wirst du die darunterliegende Weite deines Seins erfahren,die immer-gegenwärtig ist, und dich in ihrer liebevollen Umarmung hält. Und dieser Hinweis, präsent zu bleiben für die körperliche Erfahrung, anstatt von den Gedanken und Bildern überwältigt zu werden, die der Verstand produziert, gilt natürlich auch für jede andere überwältigende schmerzhafte Erfahrung im Leben. Es ist natürlich, einem Freund im Schmerz helfen zu wollen. Aber wir müssen sehen, inwieweit diese Aktivität aus echtem Mitgefühl oder aus einer dissoziativen Abkehr von unserem eigenen Unbehagen und der Ablehnung der Dunkelheit im Inneren, aus den Schatten unseres ungelebten Lebens entsteht.Wenn wir mit einem Freund sitzen, der sich niedergeschlagen und voller Schmerz fühlt, können wir überzeugt sein, dass etwas nicht stimmt, das wir dringend korrigieren müssen. Es kann sich anfühlen, als müssten wir etwas, irgendetwas tun, um sie aus ihrer Erfahrung zu entfernen und durch eine andere zu ersetzen, idealerweise eine, die unsere eigene Angst lebendig unter die Oberfläche drängt. Wir machen schnell, um sie wieder zusammenzusetzen, erinnern sie an all die Geschenke in ihrem Leben, sagen ihnen, wie alles in Ordnung sein wird, und dass es bald besser sein wird. Die ganze Zeit über sind wir nicht auf die Intelligenz eingestellt, die sich vor unseren eigenen Augen entfaltet. Es ist natürlich, einem Freund im Schmerz helfen zu wollen. Aber wir müssen sehen, inwieweit diese Aktivität aus echtem Mitgefühl oder aus einer dissoziativen Abkehr von unserem eigenen Unbehagen und der Ablehnung der Dunkelheit im Inneren, aus den Schatten unseres ungelebten Lebens entsteht. Das schmerzhafte Gefühl und die wachsende Verletzlichkeit ist kein Fehler, sondern heilig. Es ist keine Pathologie, sondern ein Pfad, ein längst verlorener Freund. Die verwaisten Stücke von Psyche und Soma versammeln sich um uns herum und sehnen sich danach, nicht "geheilt" zu werden, sondern nur endlich gehalten zu werden. Vielleicht ist es das Beste, was wir unserem Freund anbieten können, in der unlösbaren Komplexität, Bodenlosigkeit und Hoffnungslosigkeit mit ihnen zu sitzen und alles zu tun, damit sie wissen, dass wir sie nicht im Stich lassen, auch wenn sie nicht der kulturellen Phantasie entsprechen, dass sie immer glücklich, dankbar und hoffnungsvoll sein sollten. Lasst uns diese Last beseitigen, damit sie sich sicher genug fühlen, sich öffnen zu können. Die Einladung ist, auf die Entfaltung ihrer Erfahrung zu vertrauen und nicht mehr die Erscheinung der Dunkelheit zu pathologisieren, denn in ihr brennt ein Licht mit einer Milliarde Sonnen.Mit der Gesamtheit unserer Gegenwart mach es ihnen klar, dass sie nicht "darüber hinwegkommen", sich verändern, "ihre Schwingung erhöhen" oder ihre Erfahrung in Glück und Licht umwandeln müssen, damit wir sie halten und Ihnen nahe bleiben können. Liebe ist die Gesamtheit. Sie ist ganz. Sie wütet und ist lebendig in der Dunkelheit, und leuchtet hell, wie es die konventionelle Welt vielleicht nie versteht. In der Verwirrung, dem Herzschmerz, der Einsamkeit und der Verzweiflung gibt es etwas sehr Reales, das versucht, durchzubrechen. Es gibt hier einen Reichtum, aber was das ist, könnte niemals die Illusion eines beständigen Glücksgefühls und der Gewissheit unterstützen. Hier, im Kern der Erfahrung deines Freundes - die völlig untrennbar mit deiner eigenen verbunden ist - ist alles lebendig, alles ist Weg und alles ist heilig. Das Göttliche ist nicht nur die Freude und Süße, sondern kommt manchmal als Kali, um deine Welt neu zu ordnen. Treten wir aus der Trance heraus und ins Feuer mit unserem kostbaren Freund, halten wir ihm oder ihr die Hand und halten wir sie nahe bei uns. Wir können uns dann gemeinsam auf Kali zubewegen, ein Heiligtum für ihre zornvolle Weisheits- Essenz schaffen, um sich in unseren Herzen zu entfalten, und endlich sehen, was sie zu sagen hat. Trauer besucht uns alle früher oder später- oft mehrere Male im Leben.
Körperlicher und psychologischer Schmerz in der Zeit der Trauer F: Indem wir mit unserem Leiden in Berührung bleiben, empfangen wir eine wirkliche Lehre, selbst wenn wir furchtbar leiden . Was genau ist diese Lehre? A:Schmerz kann uns viel lehren. Schmerz ist ein gegebener Teil unseres Lebens, aber psychologisches Leiden kommt vom Widerstand gegen den Schmerz. Und wenn es keinen Schmerz in der Welt gäbe, gäbe es auch kein Mitgefühl. Und wenn wir nicht diesen Zustand von Mitgefühl erfahren würden, würden wir unvollständig bleiben. Und Schmerz macht noch etwas anderes. Schmerz bringt Trauer in unser Bewusstsein. Inmitten des körperlichen Schmerzes können wir die Stimmen von Trauer hören: Misstrauen, Selbstmitleid, ein generelles Gefühl von Bestürzung, von Bodenlosigkeit. Schmerz gibt uns die Gelegenheit, an den Dingen zu arbeiten, sie an die Oberfläche zubringen, die sehr tief sitzen. Das gibt uns die Möglichkeit, die Teile von uns mit Mitgefühl und liebevoller Freundlichkeit zu berühren, die wir in uns verbannt haben, denen wir mit Hass begegnet sind. Schmerz verschafft uns also Zugang zu unserem unterdrückten Leiden, wenn wir bereit sind, daran zu arbeiten. Aber du musst nicht damit warten, bis du einen 1000 Kilo schweren Schmerz erlebst. Du kannst an den täglichen kleinen Schmerzen arbeiten, die dein Leben einsam oder unerfüllt machen, deine Liebe blockieren oder dich in Selbsthass gefangen halten. All die Dinge, die wir leicht unterdrücken können. Es sind kleine Dinge, die unser wertvolles Leben ausmachen, an denen wir bewusst arbeiten können, um uns zu befreien, so dass wir die Fähigkeit erlangen, unser Herz für Mitgefühl, selbst in unserer inneren Hölle, zu öffnen. Denn du weißt, dass es nicht nur dein eigener Körper ist, der da von Schmerz geschüttelt liegt. Was, wenn es deine 5 Jahre alte Tochter ist? Wie bleibst du präsent, wie verhinderst du es, dass sich dein Zehen in deinen Schuhen verkrampfen, dass sich deine Seele nachts nicht zusammenzieht vor Schmerz und Hilflosigkeit? Wie kannst du deinen Bauch entspannen? Wie hältst du den Kontakt in Liebe aufrecht, anstatt in Furcht, anstatt in Wut gegen Gott? Anstatt in völliger Verwirrung, Angst, Hilflosigkeit und Vergessen? Was ich sagen will, ist, dass all diese innere Arbeit nicht nur für unser eigenes Wohlbefinden ist, es ist zum Guten für alle lebenden Wesen. In der bodenlosen Offenheit der Trauer gibt es eine Ganzheit von Präsenz |
Das größte Geschenk, das wir Verstorben geben können | Vielen Dank für deine Antwort auf die Frage, was nach dem Tod passiert. Ich fand es sehr hilfreich und klärend. Mein Freund ist gestern Abend gestorben, und ich frage mich, ob wir irgendetwas Bestimmtes in dieser physischen Dimension tun können, um denjenigen zu helfen, die gerade gestorben sind. Und wenn ja, was empfiehlst Du, um ihnen zu helfen? V: Danke für deine Frage. Und großen Segen für dich und deinen Freund, der kürzlich verstorben ist. Das größte Geschenk, das wir für diejenigen tun können, die kürzlich verstorben sind, ist, ihnen mit großer Liebe alles Gute zu wünschen, sie gehen zu lassen (auch wenn du vielleicht große Trauer empfindest) und ihnen alles zu vergeben, was wir ihnen verzeihen müssen. Übrigens ist es keine schlechte Idee, all diese Dinge auch schon zu tun, bevor jemand stirbt. |
Tiefe Trauer kann das Herz öffnen
A: Danke für deine Frage, und mein Herz geht zu dir für deinen Verlust.
Tiefe Trauer kann das Herz öffnen, wenn, und nur wenn, wir der heftigen Gnade der Trauer nicht widerstehen. Wenn wir große Verluste erleiden, werden wir auf eine tiefe Weise auf uns selbst zurückgeworfen. Und in diesem Zurückgeworfenwerden können wir diesem Weg nach innen folgen, tief in das Herz des Seins, die Quelle aller Liebe.
Eigentlich sind Trauer und Liebe zwei Seiten derselben Medaille. Kurz gesagt, die Trauer, die wir umarmen, führt zu einer tieferen Vereinigung in Liebe.
Die heilende Kraft des Mitgefühls
Einmal wurde der Zen-Meister Ryokan von einem Verwandten gebeten, mit dessen straffällig gewordenen Sohn zu sprechen. Ryokan kam und besuchte die Familie, aber sprach kein Wort der Ermahnung zu dem Jungen. Er blieb über Nacht und machte sich dann am nächsten Morgen fertig zum Aufbruch. Als der eigenwillige Junge beim Binden von Ryokan´s Strohsandalen half, fühlte er einen warmen Wassertropfen auf seiner Schulter. Wie er hochblickte, sah er Ryokan mit Tränen in den Augen auf ihn schauen. Schweigend ging Ryokan davon, doch bald darauf besserte sich der Junge. |
Die Kraft des Mitgefühl öffnet unser Herz und macht uns bewusst, dass die Qualität von selbstloser Liebe die größte Macht im Universum ist, die immer erreichbar ist, wenn wir unser Herz bewusst öffnen und uns so mit der Ebene des Bewusstseins verbinden, auf der mit dem Ganzen und auch allen Lebewesen verbunden sind.
Unser Herz in Empathie und Mitgefühl öffnen.
Audio | Veetman spricht über die große Bedeutung von Mitgefühl in unserer Zeit
Die Zeit des Sterbens in der Sterbebegleitung
Mitfühlende Geduld in der Zeit der Begleitung des Übergangs.
Jede Transformation hat fast die gleichen Elemente: Chaos, Hingabe und Transzendenz.
Chaos beinhaltet die Turbulenzen, die wir in unserer Psyche erleben, während wir versuchen, uns mit dem unvermeidlichen Tod auseinanderzusetzen.
Hingabe ist ein Wendepunkt - das Loslassen des kontrollierenden, ängstlichen Greifens nach dem Bekannten und ein Eintritt in die Transzendenz.
Ob Wochen oder Tage, Stunden oder sogar in den letzten Momenten vor dem Tod, in der Erfahrung des näherkommenden Todes bewegt sich unser Bewusstsein in die Gnade der Auflösung im Ozean des Bewusstseins.
Elisabeth Kübler-Ross hörte in den 1960er Jahren, was Sterbende über ihre Erfahrungen zu sagen hatten. Aus dieser Perspektive können wir einige der tieferen und innereren Passagen, die Menschen auf ihrem Weg zum Tod zurücklegen, genauer betrachten.
Fast jeder ist mit den Kübler-Ross-Stadien des Sterbens vertraut: Verleugnung, Wut, Verhandlung, Depression und Akzeptanz.
Diese Phasen sind grundsätzlich psychologisch. Sie beschäftigen sich mit dem Inhalt des Geistes, mit menschlichen Gedanken und Gefühlen, die sich auf den Tod beziehen, insbesondere auf unseren eigenen individuellen Tod.
Aber die Veränderungen, die wir bei Menschen in der Erfahrung des näher kommenden Todes sehen, gehen über das Psychologische hinaus. Sie scheinen echte seelisch- spirituelle Transformationen zu sein.
Wenn es an der Zeit ist zu sterben, findet uns das Sterben typischerweise verloren in unserem separaten, ängstlichen persönlichen Selbstgefühl. In gewisser Weise kann man verstehen, dass der Unterschied zwischen der psychologischen und der spirituellen Phase des Sterbeprozesses darin besteht: Die spirituellen Aspekte beziehen sich nicht nur auf die Inhalte des Bewusstseins, sondern auf den Raum, das Bewusstsein selbst, in dem sich diese Inhalte entfalten.
Ausbildung Seelisch-spirituelle Sterbebegleitung
Veetman´s Buch Spirituelle Sterbebegleitung
Wenn ein geliebter Mensch stirbt... Osho´s Worte beim Tod Vipassana´s Osho. "Ich weiß, eure Herzen sind schwer, traurig.... das ist natürlich. Aber ich möchte euch auch helfen, ein wenig über das Natürliche hinauszugehen. Weil diese Momente selten sind. In diesen Momenten könnt ihr sehr tief sinken. Ihr könnt auch sehr hoch aufsteigen. Dieselbe Energie, die zu einem sinkenden Phänomen werden kann, kann auch zu einem aufsteigenden Phänomen werden. Die Energie ist die gleiche. Es kommt darauf an, wie man es benutzt, wie man es transformiert. Ein paar grundlegende Dinge möchte ich Euch sagen. Erstens - Glück und Trauer sind nicht zwei Dinge, sondern zwei Aspekte derselben Energie. So kann Glück zur Traurigkeit werden; Traurigkeit kann zum Glück werden. In der Tat, jeden Tag erlebt ihr Momente, in denen Ihr plötzlich feststellt, dass Euer Glück sich in Unglück verwandelt. Wenn Ihr beobachtet, könnt Ihr sehen, dass sich das Rad weiter von einer Polarität zur anderen bewegt. Wenn jemand stirbt - jemand, den man kennt, geliebt hat, mit dem man gelebt hat, der ein Teil seines Wesens geworden ist - stirbt auch etwas in einem selbst." |
Wenn wir unsere wahre Natur unseres Seins erkennen, nicht die Gewohnheitsmuster des Verstandes, sondern die Grundnatur unseres Bewusstseins, wenn wir sie erkennen, durch Bewusstseinspraktiken wie Meditation, Kontemplation, innere Erforschung unserer Essenz, dann finden wir einen Seinszustand, der friedvoll ist und in dem nur wenige Reaktionen, wenige Gedanken eine Macht über uns haben, in dem nur wenige Phänomene auftauchen. Wir sind dann friedvoll, natürlich in unserem Sein, und voller Vertrauen in unsere wahre Natur und die liebevolle Güte des Universums, der höheren Ordnung.
Und dann kann auch unser Sterben ein natürlicher Übergang sein, in dem wir als Körper und Verstand sterben und als Bewusstsein wieder aufsteigen in der Ewigkeit des zeitlosen Bewusstseins, in einem anderen Körper und einem leeren, aber wachen Geist, der sich dann in dieser Welt orientiert, lernt, sich erinnert, wer und was wir sind, und durch die Erfahrung eines Lebens geht. Wir wissen dann, dass wir niemals sterben- nur der Körper stirbt.
Dann leben wir in Weisheit, und in Liebe, weil das die grundsätzliche Qualität unseres Bewusstseins ist,
und gehen im Sterben völlig natürlich zurück zur Quelle unseres Seins.
F. Die Zeit des Sterbens ist für die begleitenden Menschen, aber auch für den Sterbenden selbst, eine besonders schwierige Phase. Der Faktor Zeit drückt sich dann darin aus, wie geduldig- oder ungeduldig- wir sind. Fällt es uns leichter, Geduld aufzubringen, wenn wir im Vertrauen sind?
Geduld muss in Zusammenhang mit dem Respekt der Zeit für die Zeit der Agonie, für den Rhythmus, der individuell ist, gesehen werden. Wenn man tatsächlich überzeugt ist, dass der Mensch in der Zeit vor dem Tod innere Arbeit leistet, die ihre Zeit braucht, fällt es einem leichter, diese Geduld aufzubringen. Und diese innere Arbeit geht auch weiter, wenn der Sterbende sich im Koma befindet. Oft ist diese Zeit für die Umgebung sehr anstrengend und schmerzhaft, aber sie muss respektiert werden, weil sie ganz wesentlich ist für denjenigen, der sie durchlebt.
In der Sterbebegleitung ist es offensichtlich, dass der Sterbende noch auf jemanden oder etwas gewartet hat, auch wenn er bereits im Koma liegt. Wir müssen daher diese Zeit unter allen Umständen respektieren, denn diese Zeit hat ihren tiefen Sinn, auch wenn wir ihn nicht kennen.
Die Zeit der Geduld ist eine besondere Zeit, die Zeit des Dazwischen: zwischen der Zeit der Lebenden mit ihrem schnellen Rhythmus, und der Zeit des Ewigen, der zeitlosen Gegenwart des Ewigen. Wenn wir durch Krankheit oder in der Zeit des Sterbens an ein Krankenhausbett gefesselt sind, versetzt uns dies tatsächlich in eine andere Zeit: in eine Zeit, in der wir alles haben, was wir brauchen, um uns der Prüfung des Augenblicks zu stellen, aber wir haben nichts, uns dem zu stellen, was danach kommt. Es geht darum, dieser Zeit Geduld zu geben, etwas wie eine Öffnung zu geben.
F. Müssen wir nicht lernen, die Gegenwart, den gegenwärtigen Moment voll zu leben, da wir nicht lernen können, wie man stirbt?
A: Ja, wir müssen von der Zeit, die vorübergeht, zur Zeit kairos zu kommen, die uns erweckt, des zeitlosen ewigen Augenblicks. Wir haben nicht mehr die Zeit, „zu werden“, aber wir haben Zeit „zu sein“, in der Intensität des Augenblicks. Wir haben keine Zeit mehr, aber wir haben ewige Momente, und die gilt es zu leben: günstige Augenblicke.
Ich habe beobachtet, dass Menschen, die zu sehr in Gedanken von Vergangenheit und Zukunft leben, nicht zum Frieden finden. Ein Grund dafür ist Angst. Die Erinnerungen an die Vergangenheit lässt uns bedauern, was nicht getan oder nicht erlebt wurde. Und die Projektion in die Zukunft ist deutlich eine Quelle der Angst, denn der Sterbende weiß sehr genau, dass er keine Zukunft mehr hat. Im Innersten wissen wir genau, dass der einzige Ausweg darin besteht, die Gegenwart zu leben, sie als das einzig anzuerkennen, was wirklich existiert. Dass müssen wir uns aber erst erarbeiten, was oft nicht ganz freiwillig geschieht, eben weil dies der einzige Ausweg ist. Die Verengung des Lebensbereiches eines Sterbenden, das Fehlen von Impulsen, Geschehnissen und Ablenkungen (monatelang immer im gleichen Bett, im gleichen Zimmer, mit dem immer gleichen Horizont) sind nur dann erträglich, wenn es gelingt, das voll zu leben und zu erfahren, was sich Augenblick für Augenblick bietet.
Wenn wir dann bei Bewusstsein sein können, um nicht in Bedauern und Sehnsucht und Angst zu leiden, leben wir auf außergewöhnliche Weise im Moment, in der Wirklichkeit dessen, was ist. Der Mensch ist dann ein Wesen aus Wahrnehmung und Empfindung, auch wenn er sich nur wenig oder überhaupt nicht mehr bewegen kann. All die kleinen alltäglichen Dinge haben in der Erfahrung von Präsenz eine große Intensität und Unmittelbarkeit. Ich habe beobachtet, dass der Sterbende sehr meditativ wird, wenn er sich den letzten Momenten nähert.
Diese Fähigkeit ist für den Sterbenden ganz wesentlich, um eine Lebensqualität aufrecht zu erhalten. Aber auch für die Menschen, die den Sterbenden begleiten, und die Familie, ist diese Qualität wichtig. Offensichtlich ist es für die Menschen in der Umgebung des Sterbenden schwierig, denn sie leben nicht in der gleichen Zeit. Während der Sterbende in einer besonderen Zeit lebt, einer „zeitlosen Zeit“, lebt die Umgebung in der chronologischen Zeit, die eine Vergangenheit, eine Gegenwart, und eine Zukunft hat. Eins der Hindernisse für die wirkliche Kommunikation mit einem sterbenden Menschen besteht darin, dass wir uns nicht in der gleichen Zeit befinden wie dieser Mensch. Ein Beispiel: Oft sind Pflegepersonen frustriert, weil sie nicht genügend Zeit haben, sich wirklich um den Sterbenden zu kümmern. Wenn sie lernen könnten, dieses kairos, diese zeitlose Gegenwart zu leben- d.h. könnten sie während der kurzen Zeit, sie sie zur Verfügung haben, wirklich mit dem Sterbenden in der völligen Gegenwart sein-, dann befänden sie sich im Einklang mit der Zeit des Sterbenden und würden nicht mehr dieses Gefühl der Frustration erleben. Und der Sterbende wüsste, jemand ist wirklich bei mir in dieser anderen Dimension der zeitlosen Gegenwart. Wirkliche Begegnung zwischen Menschen ist nur in der Gegenwart möglich und nährend, weil sich das wahre Wesen der Menschen begegnet, nicht nur die Maske der Persönlichkeit.
Auf eine gewisse Weise zwingt uns die Nähe des Todes, da zu sein, in unserem Körper zu sein. Die Frage ist einfach: Wie können wir vollkommen „da sein“, ohne uns von der Angst vor dieser ewigen Zeitlosigkeit einsperren zu lassen? Angst steigt vielleicht auf, wenn wir nie gelernt haben, in der völligen Gegenwart zu leben, ohne über das, was vergangen ist und niemals widerkommt, und über eine völlig unbekannte Zukunft nachzudenken.
A: Ich habe erlebt, wie sich eine sterbende Frau in einer Angstkrise an mich klammerte, und ich hätte von diesem Strudel leicht mitgerissen werden können. Da ich damit vertraut bin, in der Gegenwart zu leben, konnte ich spüren, wie sich dieses offene ruhige Da-Sein auf sie auswirkte, wie eine schützende Sphäre, und verhinderte, dass die Angst größer wurde.
Wir können nicht verhindern, dass der andere Angst verspürt, aber wir können sie in Grenzen halten und das Gefühl vermitteln, trotz allem getragen zu sein. Dies kann dem Sterbenden helfen, loszulassen.
Wir machen dem Sterbenden ein Geschenk damit, sich still zu ihm zu setzen und ruhig zu atmen. Und es ist auch wichtig, Worte auszusprechen, Worte des Vergebens, des Trostes, oder der Versicherung, dass wir da sein werden. Ich liebe diese Worte von Paul Ricoeur: „Wenn uns auch unser Herz verdammt, Gott ist größer als unser Herz“. Das Drama des modernen Menschen besteht darin, dass er kein Bewusstsein in sich trägt, das größer wäre als sein eigenes begrenztes Bewusstsein. Vielleicht würden wir gern Worte hören, die uns daran erinnern: „Wenn dich auch dein Herz, deine Gedanken, dein Leiden und deine Diagnose verdammen, so gibt es doch etwas in dir, das größer ist als du, das liebender ist als du; in dir existiert eine Realität, die dir vergibt und dich liebevoll nach Hause trägt.“
Auch diese Herausforderung, präsent zu sein, macht es wieder ganz deutlich, wie notwendig es ist, sich auf eine eigene innere Arbeit des Bewusstseins einzulassen, bevor man sich in der Sterbebegleitung engagiert.
Und solange die Ärzte, die Pflegepersonen und all jene, die vielleicht einmal eine nahestehenden Menschen in seiner letzten Lebensphase begleiten, nicht selbst diese innere Arbeit machen- und diese Arbeit besteht darin, sich auf die eigenen Ängste, auf die eigenen Verletzungen einzulassen, sie aufrichtig zu betrachten, es wagen, sie zu teilen und zu fühlen, wie man sich durch sie in unserer Menschlichkeit und unserem Mitgefühl weiterentwickeln kann-, bleibt ihnen überhaupt keine andere Wahl, als angesichts des Sterbens Abwehrstrategien zu entwickeln. Das ist nur allzu verständlich, denn es geht ja um ihr psychisches Überleben! Aber diese Strategien sind nichts als Konstrukte. Letzten Endes wird man müde, sie immer wieder zu verstärken, vor allem, wenn einem bewusst wird, welch tragische Verarmung sie in den zwischenmenschlichen Bereichen nach sich ziehen. Die Folgen sind Burn-Out, Entfremdung, Krankheit und Rückzug hinter die seelischen Mauern der Abwehr.
Als Betreuer begegnen uns viele, die diese Risse in unserem Herzen auslösen, und uns wieder für das Leiden öffnen. Unsere Arbeit als Betreuer derer, die sterben, ist es niemals, die Wahrheit und Gegenwart des Leidens, der Vergänglichkeit und des Tod zu leugnen. Während wir berührt sind von diesen Realitäten der Existenz, erkennen wir, dass Mitgefühl eine moralische, soziale, psychologische,und spirituellem Notwendigkeit. Aber um diese Arbeit zu tun,müssen wir die Aufmerksamkeit auf unser eigenes spirituelles Leben lenken, auf Ressourcen zur Unterstützung unserer Arbeit. Das ist der Grund, warum Betreuer eine wirkliche spirituelle Praxis haben sollten, so wie die Mitgefühlsmeditation, um die Kraft zu haben, und die Perspektive, den Schmerz anzuerkennen, in anderen und in uns selbst, und eine angemessene und transformative Beziehung zum Leiden durch Einsicht und Regulierung unserer Emotionen zu entwickeln. Dies ist ein tiefgreifender Weg für diejenigen, die sich um Sterbende kümmern. Es ist der Weg, den die großen Heiler und Lehrer der Vergangenheit gegangen sind. Und es ist ein Weg der seelischen Gesundheit, den Kliniker und Ärzte, Betreuerinnen und Betreuer, Tag für Tag entdecken können, während sie sich um die Sterbenden kümmern. Glücklicherweise leben wir in einer Zeit, in der die Wissenschaft validiert, was Menschen im Laufe der Jahrhunderte gewusst haben: dass Mitgefühl kein Luxus ist; es ist eine Notwendigkeit für unser Wohlbefinden, unsere Belastbarkeit und unser Überleben. Mögen wir in das Leben der Dinge sehen, und mögen wir den Mut haben, Mitgefühl zu verwirklichen. |
Veetman
leitet das Institut für Leben und Sterben
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