Spirituelle Dimensionen des Sterbens
Was ist spirituelle Sterbebegleitung?
Wie kann ich mit einem Menschen sein, der sich nach dem Tod sehnt? Unser Leben ist wie das Rieseln einer Sanduhr, das niemals einhält... Unaufhörlich folgt ein Augenblick dem anderen.
Von Moment zu Moment erschöpft sich das Leben: Wir sind ein Kleinkind, dann sind wir erwachsen, schließlich alt und tot- jeder Augenblick folgt dem anderen ohne Aufschub. Unser Leben ist wie eine Luftblase auf dem Wasser oder eine Kerzenflamme; die Vergänglichkeit und der Tod sind wie der Wind . |
Präsenz zur Zeit des Todes
Während du lebendig bist, wird deine Präsenz fast völlig von deiner eigenen und der Erfahrung anderer durch deinen Körper isoliert. Der lebende Körper ist ein äußeres Rudiment deiner Präsenz. Es ist das vergangene Sein, das von Moment zu Moment zurückgelassen wird, und ständig von deiner schnell vibrierenden und zeitloseren inneren Präsenz erhalten wird. Es existiert in Zeit und Raum, eine lebende Aufzeichnung mit dem Gefühl deiner fließenden Präsenz auf der Erde. Der lebende Körper registriert diese Aufzeichnung als Älterwerden und schließlich als Tod. Physischer Raum und Zeit sind jedoch ein kleiner Teil deiner Existenz. Im Tod, wenn dein Bewusstsein vom Körper befreit wird, seiner Umhüllung, bist du dir deiner Präsenz, deines unsterblichen Wesens, zum ersten Mal bewusst. Das Gefühl der Befreiung ist ekstatisch. Menschen, die dir nahe stehen, die du zurücklässt, könnten auch deine Präsenz zu dieser Zeit wahrnehmen. Diejenigen, die das tun, werden keine Zweifel haben, selbst wenn der tote Körper vor Ihnen liegt oder bereits entsorgt wurde, dass die unsichtbare Präsenz du bist, das eindeutige lebende Du. |
Die Präsenz ist Du. Dein Körper ist niemals du, weil er zu weit hinter der Unmittelbarkeit deiner Präsenz im Körper zurückbleibt. Woraus besteht diese Präsenz? Im Tod ist es die Zusammenfassung deines Lebens, das gerade zu Ende ging. Das Leben ist nicht zu Ende gegangen, es beginnt in Wirklichkeit erst. Im Moment des Todes bist du von Leben erfüllt, überfließend mit energetischer Präsenz des Lebens, das du gerade gelebt hast. Du bist wie eine Biene, die aus dem Garten der Erde in den Stock zurückkehrt, die Pollensäcke geladen mit lebendigem Leben. Du hast jeden energetischen Moment jenes Lebens gesammelt, aufgehoben und mit dir gebracht. Also bist du im Tod Leben, so wie du es im Mutterbauch vor der Empfängnis warst. Das Leben im Mutterleib war nur Bewusstheit; jetzt hat es Präsenz in sich, die Präsenz, die du angesammelt hast. |
Der Wendepunkt der Hingabe im Prozess des Sterbens
Es gibt in sterbenden Menschen einen Wendepunkt, an dem eine überwältigende Kraft aufsteigt, die größer ist als jedes kleines Gefühl von Selbst, eine Kraft, der bis dahin äußerster und furchtsamer Widerstand geleistet wurde, und die sowohl im Sterben als auch in spiritueller Transformation als das erkannt wird, wonach wir uns immer gesehnt haben. Unser Bewusstsein erfährt im Prozess des Sterbens die gleichen subtilen Dimensionen, von denen die Weisen und Mystiker in der Geschichte der Menschheit immer wieder berichtet haben. Nach vielen Erfahrungen in der Transformation des Sterbens kann ich heute sagen: Ja, es ist so. Die Dimensionen, die wir im Sterbeprozess berühren, sind wirklich dieselben, in denen sich die Heiligen, Weisen und Mystiker aufhalten. In den vielen Jahren der Anleitung meines spirituellen Lehrers habe ich erkannt, dass die Umstände und Konsequenzen des Sterbeprozesses mit denen von Meditation beinah identisch sind. Der Unterschied ist: In Meditation wählen wir aus, transformiert zu werden; im Sterben werden wir ausgewählt. Beide lassen uns über die Identifikation mit dem persönlichen »Ich« hinausgehen, das wir zu sein glaubten. Sterbende sprechen oft davon, »in Gott zu ruhen«, sie fühlen sich »von Licht erfüllt« und sind umgeben von der Anwesenheit bereits verstorbener geliebter Menschen oder geliebten inneren Symbolen des Göttlichen. Ich habe den schwierigen Verlauf vieler Menschen durch die erschöpfende Zeit einer schließlich todbringenden Krankheit beobachtet. Der Verlauf der Krankheit an sich und die begleitende seelisch-spirituelle Transformation scheinen den Unwesentliche zu verbrennen, was viele dazu bringt, mir innerlich gereinigt in die Augen zu schauen und zu sagen: " Ich bin bereit zu sterben". Dies ist der Transformationsbereich des Sterbens. Hingabe erweitert die Qualität des Lebens...und auch die Qualität des Sterbens.Da ist Frieden, der mit ihr aufsteigt, im Gegensatz zur Verzweiflung, die mit Aufgabe entsteht. Wir beginnen, unsere Symptome, unsere Emotionen und Gedanken mit Bewusstheit zu berühren, und dies erlaubt ihnen, sich in der integrativen Kraft der Bewusstheit aufzulösen. Wir beginnen, völlig zu leben. CD 2031 | Hingabe im Sterben und innerer Transformation |
In Würde sterben Es gibt ein erkennbares großes Bedürfnis in unserer Gesellschaft nach der Entwicklung von effektiveren Wegen, den spirituellen, emotionalen und körperlichen Bedürfnissen der Menschen zu begegnen, die dem Tod oder einer schweren Krankheit gegenüberstehen. Trotz großer Fortschritte in der medizinischen Technologie ist es offensichtlich, dass grundsätzliche Fragen an den Grenzen von Leben und Tod keine Angelegenheit von technischen oder wissenschaftlichen Lösungen sind. Wenn wir herausfinden, dass wir eine chronische Krankheit haben oder nur noch einige Monate oder Jahre zu leben haben, kann sich unser Leben dramatisch verändern. Es entsteht ein tiefes Bedürfnis, Bedeutung, Erkenntnis, Frieden und Vertrauen zu finden. Unsere gewohnten Wege, Selbstwert durch unsere Beziehungen, Arbeit und Träume für die Zukunft zu finden, wird jetzt durch ein brennendes Verlangen ersetzt, etwas viel Essentielleres, Wesentlicheres zu finden. Diese Suche nach einer tieferen Bedeutung kann eine transformierende Erfahrung sowohl für den Kranken oder Sterbenden sein, als auch für diejenigen, die sie zurücklassen. Dieser Prozess könnte in einer spirituellen Tradition oder einer authentischen Spiritualität verwurzelt sein, oder auch nicht. Seelisch- Spirituelle Betreuung bedeutet, die Umgebung zu erschaffen, die es diesem Prozess erlaubt, sich durch seine oft schwierigen, manchmal schmerzhaften und letztendlich sinnvollen und lohnenden Phasen zu entfalten. Wenn unser Leben dem Ende entgegengeht, können der Vorgang unseres Sterbens und der Moment des Todes die machtvollste, transformierendste und spirituell reichste Lebenserfahrung sein. |
Umgang mit Sterbenden
Wer auch immer den Kranken umsorgt - es sollte eine Person sein, die für den Sterbenden angenehm ist, die er gern hat. Unter keinen Umständen sollte es jemand sein, der im Kranken Ärger auslöst, wenn er ihn bloß sieht - egal, ob es sich dabei um einen bestimmten Pfleger, eine gewisse Krankenschwester oder wen auch immer handelt. Es sollte also jemand sein, den der Sterbende mag. Diese fürsorgende Person sollte dem Sterbenden helfen, heilsamen Gedanken zu folgen. Sie sollte ihn in sanfter Weise ermutigen, über heilsame Objekte nachzudenken, mit denen sich der Sterbende während seines Lebens vertraut gemacht hat, wie etwa über seinen Meister und so weiter. Der Sterbende hat keinen kräftigen Geist mehr, seine Erinnerungsfähigkeit ist nicht mehr stark. Die ermutigenden Worte der Betreuungsperson werden dem Sterbenden helfen, seinen Geist auf heilsame Gedanken zu richten. Warum sind heilsame Gedanken im Sterbeprozess von so entscheidender Bedeutung? Der Grund ist der folgende: Ähnlich wie Wasser und Dünger Samen zum Sprießen bringen, helfen heilsame Gedanken im Sterbeprozess, die Eindrücke positiver Handlungen zur Reife zu bringen. Wie gesagt, wird der Sterbende während seines Lebens wahrscheinlich eine Vielzahl von heilsamen und unheilsamen Handlungen ausgeführt haben. Durch heilsame Gedanken reifen im Sterbenden zuerst die heilsamen Eindrücke heran, ergeben die heilsamen Eindrücke zuerst ihr Resultat. |
Kann der Sterbende seine Pflegeperson dagegen nicht ausstehen, dann kommen wahrscheinlich nicht die heilsamen, sondern die unheilsamen Potenziale des Sterbenden zur Reifung. Dasselbe kann passieren, wenn es rund um den Sterbenden hektisch zugeht. Der Sterbende wird sich vielleicht darüber empören, dass ihn so viel Lärm umgibt. Er wird sich fragen: Warum machen die denn so einen Wirbel? Auch diese Verärgerung ruft im Sterbenden seine negativen Potentiale wach. Vorhanden sind in seinem Geist beide, heilsame wie unheilsame Eindrücke. Die heilsamen Eindrücke werden durch heilsame Gedanken zur Reifung gebracht, die negativen Potentiale durch unheilsame Gedanken. Angenommen, der Sterbende hat keine sonderlich starken heilsamen Eindrücke: Durch Unvorsichtigkeit können in dieser Person leicht negative Gedanken aufkommen und leicht dazu führen, dass ihre wenigen heilsamen Eindrücke beim Sterben nicht zur Reifung kommen. Diese heilsamen Eindrücke werden weiterhin im Geist bleiben, vorerst werden aber die negativen Eindrücke heranreifen. Wenn störende Einflüsse im Sterbenden Ärger oder Hass aufkommen lassen, dann führt das dazu, dass in diesem entscheidenden Augenblick die negativen Eindrücke zur Reifung kommen. Wir sollten während des Lebens so viel Heilsames wie möglich leben und im Sterbeprozess diese positiven Potentiale durch heilsame Gedanken wachrufen. |