Bewusstsein legt nahe, dass ein Zweck darin besteht zu erlernen, wie man gut alt wird.Die äußeren Symptome des Alterns sind Schlüssel zu inneren Umwandlungen. Was ist das Leben außer dem Blickwinkel einer Vision? Ein Mensch wird gemessen nach dem Blickwinkel, mit dem er die Dinge betrachtet. - Ralph Waldo Emerson Unsere Vision des Alters ist beladen mit Schwierigkeiten und Paradoxa: Wir sprechen über den alternden Körper, aber die meisten unserer Zellen sind jünger als 7 Jahre. Und was könnte das Altern möglicherweise für unseren göttlichen Geist, ein unendliches Wesen, bedeuten? Was für eine Galaxis? Für einen Stern? Geradeso wie sich unsere Gesichter seit der Kindheit verändert haben, können wir uns vorstellen, wie sich das Angesicht der Erde im Laufe ihres Lebens verändert hat: Vulkane brechen aus, und Kontinente verschieben sich und stoßen aufeinander. Wir müssen uns daran erinnern, dass unsere Körper nicht unsere Identität bestimmen. Ein wirklich offenes Bewustsein lässt uns widersprüchliche Wahrheiten im Denken und in der Vorstellung festhalten – ohne den Versuch, ihre Unterschiede zu lösen –, bis etwas Neues und vielleicht Unerwartetes geboren wird. Es ist schwierig jene Spannung festzuhalten – zum Beispiel zwischen den Wahrheiten, dass wir alt werden und dass wir innerlich kein bisschen alt werden. Es bedarf einer radikalen Annahme dessen, was auf verschiedenen Ebenen zur gleichen Zeit wirklich und wahr ist – ohne Widerstreben oder Negieren oder den Versuch zu ändern, was so ist, und ohne das Denken darauf zu richten, sich Sorgen zu machen und an einer Lösung herumzukauen. Die Seele kann Paradoxa und gegensätzliche Wahrheiten umfassen, genauso wie das Universum vereinigende und abstoßende Kräfte umfasst. Tatsächlich besteht die Seele, wie das Universum, aufgrund gegensätzlicher und doch komplementärer Energien.“ Können wir in jenem Geist unbeirrt unsere weltliche Realität betrachten und auch an dem unendlichen Potenzial und den unendlichen Möglichkeiten festhalten? Das Denken schweift zu schnell ab, wenn wir jedoch bewusst leben, können wir das Paradox beider Realitäten gleichzeitig festhalten. Etwas im Innern erkennt die Wahrheit, dass wir nicht unsere Körper sind, aber auch dass wir sehr wohl unsere Körper sind. Der Schmerz berührt vielleicht nicht unsere unsterbliche Seele, aber der Mensch, der sich ich nennt, ist unmittelbar betroffen. Und wenn das Leben unseres Lebens unsere Seele nicht auf wichtige und überzeugende Arten berührt, warum sind wir dann hier? Vielleicht ist der Schmerz, der mit dem Zusammenbruch der körperlichen Vorgänge einhergeht, besonders gewaltig für uns, wenn wir altern, weil wir physisch von vielen dieser Veränderungen nicht genesen werden. Sie sind Zeichen, Mahnungen, dass wir in einer sterblichen Hülle verwurzelt sind, und je mehr wir uns mit ihr identifizieren, umso mehr Schmerz werden wir erfahren. Tatsächlich habe ich über viele Jahre geleugnet, einen Körper zu haben. Ich werde ihn kleiden, füttern, bewegen – aber oft nur beruhend auf der Idee , was er braucht, statt darauf zu hören , was er braucht. Man sagt, dass die Trennung von Körper und Denken nur eine Trennung vom Standpunkt des Denkens aus ist, weil der Körper keine Zweifel über Einheit hat. Was geschieht, wenn du dir einen Horrorfilm anschaust: beobachte, wie schnell dein Körper mit der Tätigkeit des Denkens gleichzieht. Das Gleiche trifft auf das Herz zu: Die einzige Trennung zwischen Herz und Denken liegt im Denken, nicht im Herzen. Und eine Sache, auf die wir zählen können, ist, dass mit dem Altern das Denken langsamer wird. Was wir über den Körper denken: wir sind unsere Körper, aber unsere Körper sind nicht wir. Wir sind mehr als runzlige Säcke von Wehwechen und Schmerzen. Wir sind essenziell unsterbliche Wesen mit einem wunderbaren Träger, der unzählige evolvierende Leben beherbergt. Mächtige Energien und Kräfte strömen unentwegt durch uns. Die äußeren Symptome des Alterns sind Schlüssel zu inneren Umwandlungen. Anstatt all die Themen um den Lebensabend zu fürchten – sich Sorgen machen, dass man abhängig wird oder Schwierigkeiten hat mit dem letzten Willen; Angst vor dem Verlust geliebter Menschen oder vor dem Alleinsein – können wir uns daran erinnern, unsere Imaginationen zu aktivieren, um all das anders zu sehen. Was ist überhaupt der Sinn des Lebens? Bewusstsein legt nahe, dass ein Zweck darin besteht zu erlernen, wie man gut alt wird. Der Trick ist dann, unsere Identifizierung mit dem Körper fallen zu lassen und uns mehr mit dem wachen Geist zu identifizieren – denn während der Körper schwächer wird, werden wir spirituell stärker, wenn wir unsere Aufmerksamkeit und Intention darauf richten. Unsere Kultur drängt uns natürlich zu dem Versuch, jung zu bleiben, aber „wenn wir uns gegen das Altern stellen, stellen wir uns gegen das Leben, denn das Altern ist dem Leben inhärent. Leiden entsteht, wenn wir das, was real ist, verdrängen. Viele von uns fürchten sich vor dem Altwerden; … Wir genesen, wenn wir uns den Veränderungen im Leben öffnen und das zulassen, was real ist, um natürlich zu evolvieren“. Bestseller wie Deepak Chopras … Ageless Body, Timeless Mind … mögen ihren Lesern wunderbare Ideen bieten, aber ihr inhärentes Versprechen der Verjüngung enthält auch ein Leugnen des Alterns. Schließlich geht es doch bei dem Unternehmen des bewussten Alterns um die Entwicklung und den Erhalt der Integrität. Diese Reise beinhaltet eine Erleuchtung des Denkens, und nicht den listigen Gedanken, dass es Abkürzungen zur Erleuchtung gibt. Das betrifft die Entwicklung spiritueller Reserven, um das Altern anzunehmen, nicht um es zu leugnen. Bewusstes Altern ist weder schnell noch leicht. Es erfordert, dass wir immer wieder auf unsere Intention zurückkommen, wach zu sein, während wir alt werden. Es erfordert, dass wir mitleidsvolles Zuhören praktizieren und die Welt von einem langfristigen Standpunkt aus betrachten, der unsere rein persönlichen Wünsche und Ängste übersteigt. Nach Jahren dieser Art des Übens beginnen wir vielleicht zu erkennen, was uns tatsächlich helfen wird. Diese Botschaft lässt sich vielleicht in einer auf rasche Lösungen fixierten Kultur nicht leicht verkaufen. Ich habe von vielen Menschen gehört, dass sie keine Angst vor dem Sterben haben. Ich frage mich allerdings, wie viel Angst sie davor haben, senil zu werden. Von Freunden habe ich gehört, sie würden lieber sterben als die langsame Zerstörung durch Alzheimer durchleben zu müssen. Aber vielleicht ist das nur so, wie wir auf dieser Seite des Scheidewegs empfinden. Einer Studie gemäß sind die Menschen allgemein schlechte Propheten in Bezug darauf, wie sie auf Ereignisse reagieren werden, besonders auf traurige oder negative. Was wir nicht in Betracht ziehen ist, dass das Durchleben des Ereignisses uns verwandelt; wir sind nicht länger derselbe Mensch. Die Erfahrungen fordern unsere Ideen heraus und ordnen unsere Prioritäten neu. Vielleicht ist der Verfall nur eine Art des Loslassens, des Freiwerdens von Glaubensvorstellungen über uns selbst und darüber, was wir für wahr halten. Ein Hauptthema des spirituellen Klassikers Bhagavad Gita ist die Wichtigkeit zu lernen, nicht an den Früchten unserer Arbeit zu haften, dass wir uns selbst leer machen. Die Natur hilft uns gütig, wenn wir alt werden, denn wenn unser Denkvermögen und unsere Erinnerungen schwächer werden, wird es ein wenig leichter, die Bilder, die wir über uns selbst hatten, loszulassen. Wenn wir zurückblicken auf die turbulente Leidenschaften und Wünsche der jüngeren Jahre, können wir uns ein wenig darüber freuen, dass wir von diesen Stürmen nicht mehr so leicht erfasst werden. Wenn das Gehör nachlässt und die Geschmacksknospen uns im Stich lassen, können wir ihnen Glück wünschen, dass wir sie los sind. Wir verpassen eine Gelegenheit zur Verwandlung, wenn wir uns fest daran klammern, wer wir waren – außerdem waren wir niemals wirklich, wer wir eigentlich zu sein glaubten, also woran klammern wir uns? Bewusstes Altern ist essenziell eine spirituelle Übung, und bei der spirituellen Übung geht es darum, jenen Teil von uns, der still und essenziell zeitlos ist, zu finden und dort zu verweilen. „Gehe über die Zeit hinaus, finde jenen Teil, der jenseits der Zeit liegt, zeitlos ist, – du kannst ihn nicht sehen, du kannst ihn nicht riechen, du kannst ihn nicht hören, du kannst nicht einmal darüber nachdenken, und doch ist er. Du kannst es nur sein. Du kannst es nicht kennen, weil das aktive Denkvermögen die Objekte kennt, und Objekte sind in der Zeit. Es ist vergleichbar, eine Taschenlampe zu besitzen, deren Licht man auf eine Erinnerung lenkt, auf eine Ebene, auf eine Empfindung, ein Gefühl, aber wann scheint die Taschenlampe auf uns selbst? Die Taschenlampe ist jener Teil von uns, den wir Bewusstsein nennen könnten. Es hat keine Zeit, keinen Raum, es stirbt nicht, es wurde nicht geboren, es geht nirgendwohin. Wir neigen dazu, so fasziniert von dem Bewusstsein über Dinge zu sein, dass wir vergessen, uns über das Bewusstsein an sich bewusst zu sein. Bei der spirituellen Reise geht es darum, tiefer und tiefer zu gehen und das zu finden, was sich nicht verändert. Mitten in der Veränderung sind wir noch immer im Unveränderlichen verwurzelt.“
0 Comments
Your comment will be posted after it is approved.
Leave a Reply. |
Veetman
leitet das Institut für Leben und Sterben Spenden
Eure Präsenz und Eure Unterstützung durch Spenden werden dringend benötigt und von Herzen begrüßt... Spenden für die Arbeit des Instituts Archiv
February 2022
Kategorien |